Schau, Papa, wie der in die Kurvn fetzt! Booahh, der is lauuuut! “ Ein bunt beklebtes Auto schlittert röhrend aus der Biegung, beschleunigt auf aberwitziges Tempo, brüllt an uns vorbei, und der kleine Bub, der in der nassen Wiese neben mir steht, fuchtelt aufgeregt mit dem Zeigefinger hinterher.

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Michael Böhm, Gesamtsieger in der Meisterschaft in der Division II (© CHRISTIAN HOUDEK)

„Des ist der Böhmmichael“, weiß der Papa, „mit seinem Suzuki Swift 1600.“ Aha, denke ich, typisch, der kennt den Piloten und das Auto. Und wahrscheinlich kennt er das Siegesregister vom „Böhmmichael“ auch auswendig und vielleicht noch die technischen Daten des Rallyeautos …und ich entsinne mich des eigentlichen Grunds, warum wir, Starfotograf Christian Houdek und ich,  an einem feuchtnebligen Novembertag in Jaidhof rumkrebsen, einer  1.173 Einwohner zählenden Gemeinde, in der für kurze Zeit die Hölle los ist, weil hier der Start der ersten Sonderprüfung der Waldviertel-Rallye 2014 liegt.

© CHRISTIAN HOUDEK

Zeitkontrollpunkt mit Christina Ettel und Kris Rosenberger (© CHRISTIAN HOUDEK)

Ich tippe also den Papa leicht an: „Entschuldigen Sie, wissen Sie vielleicht, wie die Copilotin von Michael Böhm heißt?“
„Ähhh…“
Schweigen.
Genau deswegen sind wir hier. Um jene vors Objektiv zu holen, die meist hinter dem Schrägstrich nach dem Pilotennamen vemeldet werden.

Nochmal Kathrin Becker (© CHRISTIA HOUDEK)

Nochmal Kathrin Becker (© CHRISTIAN HOUDEK)

Die Cos der Piloten

Wer halbe Kerle erwartet, wartet lang. Die Copilotinnen sind eher zarte und zierliche Frauen.  Jede  kam auf ihre individuelle Art und Weise zum Rallyesport: durch Zufall, durch die Familie, durch einen Freund. Was sie vereint, ist die Begeisterung für diesen Sport, eine gewisse Technik- und Tempoaffinität, und alle sind sie gut im Organisieren, präzise, ruhig und kommunikativ.

Müssen sie sogar sein, denn das Copilotinnen-Dasein beginnt lange vor Rallyestart mit einem Berg an Organisationsarbeit: Nennung abgeben; Zimmer für das gesamte Team checken; Ablauf planen; Team-Info verfassen; wissen, für welchen Rallyeabschnitt, wie viel Sprit gebraucht wird; im allgemeinen Gewurl den Überblick und die Ruhe behalten, bevor sie dann dem Fahrer sagen, wo’s langgeht!

Der Schrieb

Nina irina Wassnig schreibt den Schrieb. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Nina Irina Wassnig schreibt den Schrieb. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Bei Besichtigung der Rallyestrecke sagt der Fahrer seiner Copilotin besondere Merkmale der Strecke an, also Verlauf, Länge, Kurvenradien, Sprungkuppen, Untergrund etc. Ebenso Fahrdaten wie Geschwindigkeiten oder Schaltvorgänge.
Während der Rallye selbst diktiert die Copilotin dann den Weg. Beispielsweise: 30 rechts 3 auf Schotter. 50 rechts 3 hängt.
Ahja.
Heißt übersetzt: In 30 Metern kommt eine Rechtskurve mit Radius 3, die von Asphalt in Schotter wechselt. In 50 Metern kommt dann eine Rechtskurve mit Radius 3 die zur Kurvenaußenseite abfällt.

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Julia Baier mit Fahrer Christian Mrlik im Subaru Impreza, Gewinner der Waldviertelrallye 2014 (© CHRISTIAN HOUDEK)

Absolutes Vertrauen

Bei einem gut eingespielten Team – und das sind all jene, die vorne mitfahren –  kann und muss sich der Fahrer im wahrsten Sinne der Worte blind auf seine Copilotin verlassen. Um mit Topspeed durch die Gegend zu fetzen, unter Umständen bei Null Sicht, und gut zu sein,  bedarf es präziser Ansagen und Umsetzung.

Anpacken kann jede

Jedes der Co-Mädels ist selbstverständlich imstande, einen Reifen zu wechseln. Was die Ladies sonst noch so drauf haben und begeistert, haben wir vor dem Start im Fahrerlager rausgefunden …

Nina im pinken Porsche

Nina Irina Wassnig fährt im pinken 911er von Michael Barbach in der Historic Meisterschaft (© CHRISTIAN HOUDEK)

Nina  Irina Wassnig ist seit 1997 in „der Szene“ dabei. Durch Zufall. Sie musste zum Flughafen, bat einen Bekannten sie zu chauffieren, der als Gegenleistung von Nina zur nächsten Rallye begleitet werden wollte.
Eh nur zuschauen.
Die damals 24-jährge willigte ein und war derart fasziniert, dass sie dem Tross bis nach Rumänien nachreiste.

Zwei Jahre später saß sie zum ersten Mal im Cockpit. Im Vergleich zu heute, wo etwa die Hälfte der Copiloten Frauen sind, war Nina damals eher Exotin und neben Ikone Ilka Minor eine von vier Frauen.
2004 war Ninas stärkstes Jahr mit 14 Rallyestarts, Jahr für Jahr investierte sie ihren gesamten Urlaub bis auf 1 Woche Schifahren ins Rallyefahren. Bis 2011. Da war vorübergehend Schluss, weil sich Gloria einstellte, die heute dreieinhalbjährige Tochter. Wegen Gloria fährt Nina heute auch weniger  als früher und wenn, vor allem bei ihren Stammfahrern  Wolfgang Franek und Michael Barbach.

Kabelbinder in der Tasche

Julia Baier, spätere Siegerin der Waldviertelrallye, und ihre „Bag“ (© CHRISTIAN HOUDEK))

„Vü zvü, wie bei Frauen halt so üblich“ hat Julia Baier in ihrer Copilotinnen-Tasche drin. Statt Lippenstift, Kalender und Ersatzstrümpfen sind es allerdings Roadbook, Taschenmesser, Kabelbinder, Gewebeband … „so dass man zumindest kleine Reparaturen erledigen kann“, schildert die Copilotin von Christian Mrlik.

Kabelbinder, Taschenmesser, Gewebeband, Roadbook, Schrieb, … was frau eben so in ihrer Copilotinnen-Bag benötigt. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Kabelbinder, Taschenmesser, Gewebeband, Roadbook, Schrieb, … was frau eben so in ihrer Copilotinnen-Bag benötigt. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Die 23-jährige ist erblich vorbelastet: Mit dem Papa, der zehn Jahre lang eine Tankstelle führte, war sie war schon vor Jahren hier bei der Waldviertelrallye zuschauen und drängte bald darauf ins Cockpit. Über einen Freund kam sie im Motorsportclub Neulengbach unter und nahm bald darauf an ihrer ersten Rallye teil. „Wenn du einmal dabei bist und dich gut anstellst, spricht sich das durch Mundpropaganda schnell rum.“
Vier Jahre ist das her, mittlerweile hat sie ihre Stammfahrer Stefan Langthaler und Christian Mrlik, mit dem sie im Subaru Impreza übrigens die Waldviertelrally gewann. Der „Teamgedanke, die Verantwortung und am Limit fahren“ begeistern Julia besonders. Selbst fahren hingegen reizt sie gar nicht: „Nein, nicht mal beim freien Drifttraining interessiert mich das. Mir taugt das Mitfahren.“

Tafel oder Schild?

Ursula Mayrhofer fährt für zwei Nationen. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Ursula Mayrhofer fährt für zwei Nationen. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Durch ein Inserat stieg Ursula Mayrhofer in den Rallyesport ein. Die heute 30-jährige wurde durch den motorsportelnden Vater bereits von Geburt an infiziert, wollte es vor zehn Jahren jedoch ohne den Familien-Bonus schaffen. „Ich habe gefragt, ob sich jemand berufen fühlt, einer jungen Dame zu helfen, in den Rallyesport hineinzuwachsen!“

Eine erprobte Beifahrerin brachte der ambitionierten Ursula das Notwendigste bei, ergänzt hat die Oberösterreicherin ihr Know-How durch einen Beifahrerlehrgang. Bei dem fuhr sie sogar selbst, ist aber „am rechten Sitz picken geblieben … ich kann einfach besser lesen!“
Flexibel und ruhig sein, strukturiertes Arbeiten und gut auf andere einstellen zählt sie selbst zu ihren Stärken: „Man ist nur dann schnell, wenn Harmonie im Cockpit herrscht!“

Letzte Teambesprechung, bevor es ins Gelände geht. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Letzte Teambesprechung, bevor es ins Gelände geht. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Mittlerweile gehört sie fix zu einem österreichischen (Mario Saibel) und einem deutschen Team (Hermann Gassner).
Ob es schwierig sei, sich auf die unterschiedlichen Anforderungen der Fahrer einzustellen, beantwortet sie lachend mit: „Man muss sich umstellen, es ist allerdings leicht. Es kann natürlich mal passieren, dass ich die Ausdrücke verwechsle, weil was für den Mario die Verkehrstafel, ist für den Hermann das Verkehrsschild!

Benzin-Braut

Christina Ettel schnupperte schon als Baby Benzinluft (© CHRISTIAN HOUDEK).

Christina Ettel schnupperte schon als Baby Benzinluft (© CHRISTIAN HOUDEK).

Bereits im Kinderwagen atmete Christina Ettel dank ihres „motorsportverrückten“ Papas Benzinluft, saß im Alter von sieben Jahren im Gokart und ist seit 2003 als Copilotin in der Rallyeszene unterwegs. Ehrgeiz, Ruhe, gutes Zeitmanagement und Gefühl fürs Timing zeichnen die 27-Jährige aus, die hauptsächlich bei Kris Rosenberger mitfährt und wie alle anderen Mädels in der Lage ist, auch mal „ein abgerissenes Auspuffendrohr zu befestigen“.

Bei rund zehn Rennen war Christina heuer dabei, in starken Jahren können es auch bis zu 20 Events sein. Sie ist eine der wenigen, die sich durchaus vorstellen könnte, mal selbst am Steuer zu sitzen, so „sich ein Sponsor findet, ja, allerdings suche ich nicht aktiv danach.“

Wenn der Partner Pilot ist …

Petra Seher mit Partner und Pilot Peter Ölsinger sowie Veranstalter Gerhard Leeb (v. r. n. l.; © CHRISTIAN HOUDEK)

Petra Seher mit Partner und Pilot Peter Ölsinger sowie Veranstalter Gerhard Leeb (v. r. n. l.; © CHRISTIAN HOUDEK)

… ist die Partnerin unter Umständen bald Copilotin. So geschehen bei Petra Seher, die seit zehn Jahren an der Seite ihres Partners Peter Ölsinger im Mitsubishi Evo sitzt. „Wir steigen für ein paar Tage aus unserem Normalberuf aus und genießen das“ begründet die Motorradfahrerin ihre Leidenschaft.

Nein, falsch geraten, ein reines Männerteam (Tobias Unterweger und Roman Mühlberger) fährt diese Hello Kitty-Mitsubushi Evo, der im Fahrerlager vor der nächsten Sonderprüfung gecheckt wird. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Nein, falsch geraten, ein reines Männerteam (Tobias Unterweger und Roman Mühlberger) fährt diesen Hello Kitty-Mitsubishi Evo, der im Fahrerlager vor der nächsten Sonderprüfung gecheckt wird. (© CHRISTIAN HOUDEK)

Die Rallye endet für die meisten Copilotinnen, sobald die letzte Zeitkarte abgegeben ist. Dann ist vor allem das Serviceteam am Werk, um die oft ramponierten Autos wieder instand zu setzen …

Präzision und Timing muss eine Copilotin intus haben – hier Uschi Breineßl (© CHRISTIAN HOUDEK)

Präzision und Timing, um in der vorgegebenen Zeit die Zeitkarten beim Kontrollpunkt abzuliefern – hier Uschi Breineßl (© CHRISTIAN HOUDEK)

 

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