Oder auch: Ford Mustang. Über die Unmöglichkeit der automobilen Unauffälligkeit.
Text: Lisa PonyKatztriez
Bilder: Manfred Seidl
Die spontane Einladung am Freitag Nachmittag zum Mustang-Test kommt gerade rechtzeitig, muss die fleißige Lisa doch am Samstag in die schöne Steiermark, um sich dort beim 32. Ultra-Alpin-Marathon die verderbte Seele aus dem Leib zu rennen.
Zeitig in der Früh werfe ich den Mustang an, was dank des 2.3 l Ecoboost-Motors gelingt, ohne sämtliche Nachbarn von Wien bis Scheibbs-Nebraska aus dem wohl verdienten Wochenendschlaf zu reißen (mit dem V8 unter der gestreckten Haube hätte das vermutlich nicht funktioniert – vgl. Reportage von „la Chefin“ vom 27. April dieses Jahres).
Lämmchenfromm und häschenleise verlasse ich die Wohnanlage und visiere im Cruise-Mode die Hohe Veitsch an, Kraftsparen ist angesagt – die in Bälde zu bewältigende Laufstrecke von 54 km mit 2.060 pösen, pösen Höhenmetern wird mich heute noch genug fordern, da kann ich jetzt kein autofahrerisches Adrenalinbad gebrauchen. Der knackige Amerika-Sportler rollt schwerelos im Bereich von 2.000 Touren im zehnten (!) Gang des Automatik-Getriebes über die menschenleere Autobahn, die Vorausberechnung der Restreichweite verändert sich kaum – Eco scheint also trotz der beachtlichen Fahrzeugdaten durchaus möglich: 290 PS stark, knappe 1.7 Tonnen schwer, 4.50 Meter lang, 1.90 breit – klein ist anders …
Am Zielort angekommen, dauert es keine zwei Minuten, bis ich das erste Mal auf meinen fahrbaren Untersatz angesprochen werde: ein geschätzte 60 Jahre alter „Offizieller“, angetan mit Bergrettungs-Uniform, streicht erst wie zufällig am Auto entlang, um sich dann doch ein Herz zu fassen und mir ein „Sie haben aber ein schönes Auto“ zu zuflüstern und sofort danach eine Abhandlung über den Mustang-Stammbaum zu liefern, an deren Ende ein deutlich zu bescheidenes „Ich hab‘ mich ein bisschen mit der Historie dieses Autos beschäftigt“ kommt. Das Angebot zum Probesitzen lehnt er fast verstört ab, als wär‘s eine Entweihung …
Ich hole mir meine Startnummer und mein Goodie-Bag ab und finde bei der Rückkunft zum Auto eine kleine Menschentraube vor, die den Mustang teils mit Respektabstand, teils mit an den Scheiben plattgedrückter Nase beäugt und mich verschämt anschaut, als ich die Fernbedienung betätige.
Schön langsam wird‘s peinlich hier: so einen Aufritt wünsche ich mir, wenn überhaupt, nur mit Bombenkondition in den Wadln – ich hör‘ schon die Sager „Hauptsach‘ 1.000 PS hats, die Trutschn, aber am Berg auffi kumman tuats ned!“. Solange ich nicht den Mund aufmache, werde ich ob des Kennzeichens wenigstens nach Germanien verortet und nicht ins in der Provinz eh schon leicht übel beleumundete Wien. Also gilt: „Pappn hoidn für den Rest des Tages“.
Ein Vorsatz, den ich ob der kontinuierlichen Steigung gleich nach dem Start auch ganz brav in die Tat umsetze, wenn auch nicht ganz freiwillig. Nach wenigen Kilometern bergauf wünsche ich mir auch zwei so lässige Lufteinlässe wie sie der Mustang auf der Motorhaube hat, und spätestens am Teufelssteig würde ich viel für wenigstens ein paar der 290 Pferdestärken geben, die jetzt gerade unnütz und gelangweilt im Tal herumstehen.
Nach knappen sieben Stunden ist die Tortur endlich zu Ende und ich humple nach einer ausgiebigen Dusche (das großflächig mit Kuhexkrementen beschmierte Lisa’sche Laufwadl ist definitiv nicht innenmustang-tauglich) zurück zu meinem gut gebauten Mr. America. Die Qualen der letzten Stunden haben mich sensibel gemacht, ich muss fast weinen beim Anblick der kühn geschwungenen Linien – oder ist es schlicht die Erleichterung, dass ich jetzt in den (aufpreispflichtigen) Recaro-Sitz gleiten darf, der frau umschließt wie ein Handschuh und cosy Halt auch in flottesten Kurven bietet ? However, oder „wuascht“, wie die Amerikanerin sagt, Hauptsache, ich kann ab sofort im Sitzen Gas geben. Mit der gemütlichen Fahrweise des frühen Morgens ist es jetzt vorbei, die Kraft der 290 Mustangs muss die schmerzvolle Schmach der gegen das letzte Antreten auf der Veitsch verlorenen 15 Minuten wettmachen. Und nachdem wir eh schon in der Steiermark sind, bietet sich eine kurvenreiche Wallfahrt nach Mariazell an – Buße muss sein.
Der Mustang darf zeigen, dass er mehr drauf hat als Eco-Autobahnfahren, spätestens nach Umschalten des Automatik-Wahlhebels auf „S“ und ein paar beherzten Kehren darf frau ihm getrost auch eine wirklich ansprechende Straßenlage und jede Menge Durchzug attestieren, auch der Sound ist im höheren Drehzahlbereich deutlich kerniger – the beauty trägt also auch das „Boost“ im Namen zu Recht. Nach dem Einparken in Mariazell knackst und knarzt das auskühlende Blech, dass der Organist im Dom doppelt so laut wie normal in die Orgel steigen muss, Schwärme von Bremsscheibengeruch machen dem allgegenwärtigen Weihrauchodem Konkurrenz … Auch am Wallfahrtsort fällt der Blaue auf wie ein Gesandter des Automobilhimmels, wieder werde ich von jungen Männern, autobegeisterten Frauen und kleinen Buben auf das Auto angesprochen, ausgefragt, beneidet, …
Das selbe Bild bei der Rückfahrt nach Wien: Auf der nun deutlich belebteren Autobahn ernte ich sehnsüchtige Blicke, jede Menge „thumbs-ups“ und wie mir scheint auch unerwarteten Respekt von Fahrern breitbereifter aufgestochener Versionen deutscher Mittelklasse-PKWs – mit einem Mustang legt sich keiner an, auch wenn frau sich brav an die Tempolimits hält (an die aktuellen, nicht an die, die mustangfarbene Verkehrsminister seit langem herbeisehnen).
Ein Tankstopp wird fällig, die „S“-Automatikstellung hat ihren Tribut gefordert, eine wild bergauf/ bergab durch Serpentinen galoppierende Herde braucht klarerweise ein bissl mehr superes Kraftfutter, als ein Bruchteil der Tierchen beim gemächlichen Trab … Ein Fan verfolgt mich bis zum Tankstellen-Bankomaten und bombardiert mich mit Fragen nach Fahrzeugsdetails, Beschleunigungswerten und First-Hand-Einschätzungen um ohne Luft zu holen den kompletten Prospekttext herunterzubeten – die Welt ist scheint’s voll von verhinderten aber bestinformierten Mustang (Ver)Käufern !!!
Beim abendlichen Fototermin in Gürtelnähe sind der Fotograf und ich sowieso die unschlagbaren Heros, sogar die Taxifahrer üben sich in gefälliger Toleranz als wir hintergrundbedingt einen Standplatz blockieren … – versuch das mal mit einem Skoda. Ich sag nur: goldenes Wienerherz und Totschlag.
Fazit: ein Auto, das bewegt. Wirklich cooles, eigenständiges Design. Leistung im Überfluss wenn’s gebraucht wird und trotzdem ziemlich alltagstauglich. Irgendwie hängt ständig ein Hauch von Steve McQueen-Engerl über dem Auto und das macht die Karre selbst für Autoskeptiker interessant: egal ob jung oder alt, weiblich oder männlich, autochthon oder 2./3. Generation – fast alle stehen drauf. Nur ein sehr kleiner Teil der eher konservativen Bevölkerung sieht das anders – an dieser Stelle ein herzliches Danke für die „Peitscherl-Bua-Auto“-Wortmeldung, lieber Papa :-)
Für wen er auch nix ist: für Spaltmaßfetischisten (Freund P., seines Zeichens KFZ-Mechanikermeister,: „des san hoid de Ameriganer …“) und, Mädels: definitiv ungeeignet für den unauffälligen Besuch beim Zweit- oder Drittmann …
Ford Mustang 2.3 Ecoboost
Leistung: 290 PS/ 213 kW
Getriebe: Automatik – gibt’s aber auch mit 6 Gang Schaltgetriebe :-)
Preis: ab € 48.750.–, Testmodell € 52.750,–
Wahnsinn! Das letzte Mal bin ich 1969 einen Ford Mustang gefahren!
Geht‘s dir gut?
Dann wird es Zei, dass Du das änderst! Ja, mir geht’s gut ;-)